Projekt Schwalbe 1 – Deckname „Eisenkies“

 

Die südwestfälische Region eignete sich aufgrund der Gebirgetopograhie besonders für die Errichtung von unterirdischen Werken und Betriebsanlagen. Gleichzeitig ermöglichten die Anbindung an das Eisenbahnnetz, ein gut ausgebautes Straßensystem und die Nähe des Ruhrgebiets günstige Voraussetzungen für eine projektierte Produktionsaufnahme. In der Umgebung von Hagen waren 1943/44 mehrere Örtlichkeiten mit Decknahmen versehen und für Verlagerungen vorgesehen worden. Allerdings kam es nur vereinzelt zu Bauaktivitäten bei den auserwählten Standorten.

Eines der größten und geheimsten Bauprojekte stellte das Projekt Schwalbe 1, unter dem Decknamen „Eisenkies“ (der Mineralname ist hier die Kennung für eine neue, eigenst eingerichtete Stollenanlage), im Lennegebirge dar. Im Rahmen des Geilenberg- Programms (benannt nach Edmund Geilenberg) zur Sicherung der kriegsrelevanten Mineralölindustrie vor der totalen Zerstörung durch alliierte Bombardements begann man Ende August 1944, in einem Steinbruch im versteckt liegenden Hönnetal, mit dem Ausbau dieser gigantischen Stollenanlage.

Im Vorfeld wurde der Standort sorgfältig von Geologen und Sachverständigen der Organisation Todt, die auch im Verlauf des Ausbaus die Oberbauleitung und Aufsicht über das Vorantreiben des Stollensystems behielt, auserwählt. Bauherr war die Firma Rheinbraun- Braun- Union Wesseling, die in der Stollenanlage ein Hydrierwerk zur Treibstoffherstellung und ein Dehydrierwerk zur Herstellung von Flugkerosin errichten ließ.

Die Rohstoffe, besonders verflüssigte Kohle bzw. Stein- und Braunkohlenteer, Wasser und Energie, sollten bei der für Sommer 1945 geplanten Produktionsaufnahme über Rohrleitungen aus dem Ruhrtal bzw. Ruhrgebiet herangeführt werden.

Der zehnmonatige Stollenvortrieb und Ausbau erfolgte durch umfangreichen Einsatz von 10.000 Zwangsarbeitern und Häftlingen im Schichtbetrieb. Die Gestapo Dortmund gab im Spätsommer 1944 die Kontrolle über das Arbeitserziehungslager Hunswinkel bei Lüdenscheid auf, um im Hönnetal ein neues Häftlingslager einzurichten. Trotz der Baudimension und damit verbundener Logistik blieb das Projekt lange Zeit unbemerkt. Zur Verteidigung der Grossbaustelle lagen mehrere strategische Abwehr Maßnahmen vor. Unter anderem wurde das Projekt ringsherum von Flakbatterien verteidigt.

Die U-Anlage „Eisenkies“ besteht aus mehreren voneinander abgetrennten Stollensystemen, in denen Hydrier-, Dehydrier-, und Kraftwerk der Anlagen untergebracht werden sollten. Befährt man Schwalbe 1 heute, ist man von der Größe und Dimension des Stollensystems mit seinen Haupt-, und Blindstollen sehr beeindruckt. Stille Zeugen der Zeit findet man in fast jeder Passage, in fast allen Formen. Von Bohrgestängen, Sprenghülsen bis hin zum Schienenstrang und Abraumloren geben diese Relikte prächtige Einblicke in manch bedenkenswerte Geschehnisse vergangener Zeiten. Fotomotive und Impressionen gibt es mannigfach, wobei die kilometerlange Stollenweite und Deckenhöhe von teilweise 15m- 20m nur schwer einzufangen ist.

Obwohl diese Anlage nie fertig gestellt wurde, bietet sie viele Einblicke und Details, die bei einer Befahrung einfach ergreifender sind, als sie in Büchern nachzuschlagen.

 

Wegen der geographischen Lage und manch versteckter Tücke möchten wir an dieser Stelle von einer Nachahmung der vorgestellten Exkursion abraten. Mit mangelnder Kenntnis und Ausrüstung besteht akute Lebensgefahr!